Von Flüssen und Seen
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge stehen wir, ein Cocktail in der Hand auf dem Sonnendeck und lassen St. Petersburg in die Ferne entschwinden. „Da swidanja“ auf Wiedersehen Zwiebeln, Mörder, Stossverkehr, Rubens und Peter. Vielleicht kommen wir wieder, vielleicht auch nicht!
Noch ist der Ladoga-See, dem die Newa entspringt, drei Schiffsstunden entfernt. Macht nichts! Denn die Newa, die an ihrer breitesten Stelle 1.2 km breit ist, hat schon einen seeischen Hauch. Strömung? Wir blicken in die Fahrtrichtung und in die andere. Wir suchen nach Spuren. Aber die Newa ist nun Mal nicht der Rhein. Winzige Wellen eilen hierhin und dorthin. Vergebens. Wir blicken also in den Reiseführer. Soll man es glauben? Die Newa hat eine Strömung! Eine starke, sogar.
Ihr Name ist nicht sehr glorreich und viel Fantasie hat man auch nicht gebraucht: Die Finnen, die schneller waren, hatten den Ladoga-See nämlich schon getauft: Newo-See, den Sumpf-See. Wenn man bedenkt, welche Mühe sich Peter mit seinen Kanälen geben musste, dann trägt der „Sumpf-Fluss“ seinen Namen nicht ganz zu Unrecht …
Leider werden wir vom Ladoga-See rein gar nichts sehen, es sei denn, die Bebbin würde, wegen der dröhnenden Klimaanlage von Schlafstörungen geplagt, einen kleinen Nachtspaziergang an Deck machen wollen. Das wollte eine Mitreisende anscheinend auch.
„Wenn du meinst.“ Der Meenzer zuckt mit den Schultern. „Ich jedenfalls brauche meinen Schönheitsschlaf.“
Wie das mit Vorsätzen so ist. Es bleibt beim Vorsatz.. Auch bei der Mitreisenden, die sich am nächsten Tag beim Reiseleiter beschwert, dass niemand sie geweckt habe, um den Sternenhimmel zu sehen … Die Petersburger Tage haben eben an den Energiereserven gezehrt. Schliesslich wollte man sich auf dieser Reise vom Alltag erholen. Nun stellt auch die Bebbi-Mama fest: Man kann sich auf einer Reise auch von der Reise erholen müssen.
Wir können immerhin berichten, dass wir in jener Nacht den grössten Süsswassersee von Europa durchquert haben. Mit seinen 17‘700 km2 ist er beinahe 40 Mal so gross wie der Bodensee. Und auch er hat seine Geschichte.
Am 8. September 1941 kesselte die deutsche Armee Petersburg ein. Frauen, Kinder, Alte begannen einen langen Kampf gegen den Eindringling – und gegen Hunger und Kälte. 900 Tage dauerte die Belagerung und der Winter 41/42 ging als der kälteste Winter des 20. Jh. in die Geschichte ein. – 40“C brachten den einen den Tod, den anderen aber das Leben: über die sogenannte „Strasse des Lebens“, mit denen Lebensmittel und Medikamente über den vereisten See nach Petersburg gebracht wurden..
Eine Million Zivilisten starben, aber viele wurden dadurch gerettet. Und am 27. Januar 1944 war der Albtraum endlich vorbei.
Und inzwischen haben wir den Ladoga-See verlassen und erreichen über die beiden eindrücklichen Schleusen des Flusses Swir den Onega-See. Hier erwartet Euch eine der schönsten Sehenswürdigkeiten Russlands.