Auf Futtersuche

Auf Futtersuche

Rush-hour auf dem Küstenpfad. Bei schönstem Sonnenschein wälzen sich die Kolonnen aus den USA, Portugal, Frankreich, ja selbst aus der Schweiz. Es herrscht Dichtestress. Der grösste Dichtestress befindet sich aber ein Stockwerk tiefer, in den Basaltklippen. Auf engstem Raum hocken sie auf schmalen Felsvorsprüngen und teilen sie noch mit den Nachbarsfamilien. Es ist ein Kreischen, Jammern, Gurren und Knarren, ein stetes Hin und Her.

Wie bei uns. Schon sitzen wir im Auto und fahren dem nächsten Vogelfelsen entgegen. Sie hausen an einer glatten Wand oder im Gras, jeder nach seiner Art. Enge, zugige Wohnungen, kaum ein Dach über dem Kopf, welch ein Leben. Wir haben wenigstens einen Container.

Dann auf einem Felsen: Pinguine? Sie tragen Smoking wie Pinguine, sie watscheln mit geschwellter Brust auf breiten Füssen wie Pinguine. Aber irren ist menschlich: Nein, es sind Alkenvögel! Und wer es fachmännisch will: Tordalken.

Wir folgen der Küste, die Sonne aber nicht. Langsam verschleiert sich der Himmel, der kalte Wind wird eisig. An einem steilen felsigen Hang kleben zwei Schafe, Mutter und Kind. Halten sie sich für Gämse? Wir wollen es nicht so genau wissen.

Dann kommt unsere heutige Herausforderung. Die Zeit vergeht im Flug, es ist weit nach 12 Uhr, unser Magen meldet sich. Doch wie so oft auf dieser Reise findet sich weit und breit kein Café, kein Restaurant, keine Bäckerei mit leckerem Sandwich.  Wir klappern Orte ab, die diesen Namen kaum verdienen. Nichts. Auch kein Super-Märktchen, und wenn überhaupt, dann hat es jetzt gerade geschlossen … Die Spannung wächst, die Stimmung sinkt.

Wie die Vögel jagen wir die Küste entlang unserem Essen nach und siehe da! Auf Rettung treffen wir in einem winzigen Örtchen namens Olsavik. Ein Supermarkt. Oder fast. Ein paar Quadratmeter Ladenfläche, aber was soll’s? So kommen wir um 15 Uhr endlich zum Mittagessen, auf einer netten luftigen Picknickbank mit Aussicht aufs Meer, ganz idyllisch. Als wir wegfahren, sehen wir eine Temperaturanzeige: 9°C. Und verstehen, weshalb der Bebbin ein bisschen kühl war …

Einen lustigen Nebeneffekt hat die Suche dennoch. In einem der Örtchen fliegen Möwen wild hin und her, tief über das Grasland, und schlimmer noch, über die Strasse. Schritttempo ist angesagt. Und am Straßenrand sitzt ein graues Büschel Elend und schreit sich die Möwenseele aus dem Leib. Hoch über uns, die Mutter, der Vater, der Bruder vielleicht.

Der Meenzer hält auf der menschenleeren Strasse an und grinst: „Ein Foto gefällig?“

Man erinnert sich und versteht: Da steigt die Bebbin garantiert nicht aus! Aber verwegen hängt sie sich aus dem Fenster und knipst. 

Den redseligen Tischnachbarn vom gestrigen Abend können wir nicht entkommen. Zielsicher steuern sie auf unseren Tisch zu und im Nu ist der Abend vorbei. Wir haben aber einen Trost: Noch auf der Rückfahrt haben wir an der Rue de Pimpol – wie kommt die Bretagne nach Island? – ein Vinbudin entdeckt. Wir sind gerettet. Endlich finden wir normalprozentiges Bier und ein gutes Fläschchen Wein als Schlummertrunk.

So wie der Nachbar in unserer Containerhütte schnarcht, werden wir den vielleicht noch brauchen.

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