Ein schlafender Riese

Ein schlafender Riese

Es geht heute zum wichtigsten Berg von ganz Neuseeland. Wer die Bebbin und den Meenzer auf ihrer Reise durch Island begleitet hat, weiss aber: Ein Berg ist nicht gleich ein Berg. Und was sich drin versteckt, ist von aussen auch nicht immer ersichtlich. Ein See zum Beispiel oder eine Höhle, ein Berggeist oder einfach nur einer, der seinen Ring verloren hat und deshalb einen armen kleinen Hobbit mit seinen Mordgelüsten verfolgt. 

Die Reise zum Berg entpuppt sich eher als eine Jagd nach nicht vorhandenen Lookouts. Denn der Lake Taupo kann durchaus in Bezug auf Farben und Vegetation mit dem Luganersee konkurrieren und ist unbedingt einen Halt und ein paar Bilder wert.

Da auch die Picknick-Plätze rar gesät sind, um nicht zu sagen, nicht vorhanden, geht es gleich Richtung Tongariro  Nationalpark weiter. Unser Ziel ist nämlich: Der nur mit einem Auge schlafende Vulkan, Mount Ruapehu, und sein genauso aktiver Nachbar, der Mount Taranaki.

Die Vögel pfeifen es schon von den Bäumen. Die beiden sind nicht weit, um die Ecke sozusagen. Und pfeifen wäre übertrieben. Der Gesang des Tui ähnelt dem Knarren einer Scheunentür. Es ist eindeutig nicht in den Blockflötenunterricht gegangen.

Mitten aus der nationalpärklichen Pampa und dem niedrigem Gebüsch, hinter den sich nicht mal ein Hobbit verstecken könnte, taucht plötzlich was Weisses hervor. Ein Zipfelchen dessen, was uns gleich bevorstehen wird. Eine Ahnung nur.

Und dann taucht er auf. Riesig, unübersehbar. Er ist es. Die Bebbin ist hin und weg. Der Meenzer muss auf die Bremse und an völlig unerlaubter Stelle anhalten. Gut sind die neuseeländischen Highways ähnlich wie die kanadischen. Leer, ausserhalb der Städte versteht sich. Und so kommt der Mount Ruapehu zum ersten Mal vor die Linse der Bebbin.

Einen kleinen Haken hat er. Er ist 2792 Meter hoch, der höchste Vulkan Neuseelands und der höchste Punkt der Nordinsel. Sein Gipfel ist schneebedeckt. Und wer tatsächlich in seine Nähe kommen will, muss einige Strapazen auf sich nehmen. Eine Wanderausrüstung, mindestens zwei Liter Wasser, eine Taschenlampe für den Notfall (welcher Notfall, fragt sich die Bebbin. Etwa wenn man sich von der Wandergruppe entfernt und SOS-Zeichen winken muss?), Mütze, Handschuhe, funktionierendes Handy (auch für den Notfall). Einen Vulkanausbruchs-Detektor vielleicht? Ihr merkt, alleine zu gehen wäre viel zu gefährlich.

„Viel zu gefährlich“, sagt der Meenzer, der niemals zugeben würde, dass ihm dieses Alibi sehr gelegen kommt. Denn nach der berühmten Wanderung zur Rheinquelle ist klar. Die Bergsteigerfahrung steckt bei beiden noch in den Kinderschuhen. Und da würden auch die besten Wanderschuhe und Pickel nichts daran ändern. Gut haben wir sie zuhause gelassen.  Stattdessen sehen wir uns also im Visitor Center die Wanderung am Bildschirm an. Dies bestätigt die Vermutung, dass das fehlende Zeitfenster nicht die grösste Herausforderung gewesen wäre. Steile Hänge ganz ohne Markierungen. Geröll, das unter dem Fuss wegrutscht, Seen, die nicht zum Baden geeignet sind, so verlockend bunt sie auch sein mögen. Schwindelerregende Aussichten und das Wissen, dass der Riese niemals schläft, auch wenn er schon seit 1995 auf seinen nächsten grossen Moment wartet. Und ehrlich gesagt: Wir wollen nicht dabei sein.

Neben ihm geht der Mount Tanaraki fast unter. Er ist schon ewig nicht mehr zornig geworden. Dabei hat er, im Gegensatz zu seinem mächtigen Nachbarn, die perfekteste Vulkanform überhaupt und sieht genau so aus, wie ein Vulkan eben aussehen muss. Ein kleines Rauchfähnchen hätte aber noch gut ausgesehen.

Meenzer und Bebbin sind sich für einmal wieder einig: Der Ruapehu ist vermutlich der Seiteneingang zur Hölle. Und wir sind noch nicht ganz bereit. Deshalb beschränken wir uns auf ein Spaziergängchen zu einem Fällchen, das mit unseren Wasserfällen nicht ernsthaft konkurrrieren kann uns aber zur nötigen täglichen Bewegungseinheit verhilft.

Am nächsten Morgen schon müssen wir uns vom dösenden Riesen verabschieden und fahren nach einem nostalgischen Blick zurück weiter südwärts nach Wellington, unserem letzten Halt auf der Nordinsel. So schnell geht das.

Wellington ist die Hauptstadt Neuseelands, was wir erst feststellen, als wir der Stadt den Rücken gekehrt haben und auf der Fähre nach der Südinsel sitzen. Sie besticht, unter uns gesagt, nicht durch Vieles. Aber sein Mount Victoria, quasi mitten in der Stadt, bietet eine grandiose Rundumaussicht auf Stadt und Bucht. Was wir sagen können? Der Wind bläst uns in Sturmstärke um die Ohren und droht,  die Bebbin über die Platform zu wehen. Nach unserer Erfahrung ist Wellington der windigste Ort Neuseelands. Und ausgerechnet dort haben sie einen Flughafen gebaut. Dem Meenzer schaudert es, aber nicht wegen der Kälte. Er ist heilfroh, dass die Reise auf einer netten, garantiert windfesten Fähre und danach auf ganzen vier Rädern und sicherem Boden weitergeht.

 

4 Gedanken zu „Ein schlafender Riese

  1. Wahnsinnsfoto, einfach eigentlich weil hier besteht das Leben gerade aus einer Farbe: GRAU und es fühlt sich einfach nur nass an…..seeeeehr nass!!!! 😉

  2. sooo viel und sooo tiefes Blau: davon träumen wir hier nicht nur nachts… und erst der neuseeländische Kilimanjaro: beeindruckend! (von unten gesehen, natürlich).

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