Kultur pur

Kultur pur

Liebe Leserin, lieber Leser

Wir sind in der nördlichsten Stadt der Welt angelangt: Alta ist der Hauptort der Gemeinde Finnmark, welche flächenmässig so gross ist wie Dänemark, aber nur 80’000 Bewohner hat. Wer also Ruhe vor den Nachbarn haben will, ist in dieser Ecke Norwegens genau richtig. Der Meenzer überlegt es sich noch.

Auf den ersten Blick erschliesst sich nicht so ganz, was das Besondere an dieser Stadt sein soll. Sie breitet sich am Ende eines Fjords aus, wie andere Orte Norwegens auch, und hinter ihr erheben sich malerisch felsige Hügel, was nach einer Woche mit Hurtigruten nicht ganz ungewöhnlich ist.

Während der Meenzer an diesem Vormittag das ausgestorbene Schiff geniesst, wird die Bebbin zu den zwei nicht unwesentlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt kutschiert.

Die Nordlichtkathedrale wurde 2013 erbaut und kostete 200 Millionen norwegische Kronen – drei Mal so viel wie ursprünglich geplant. D.h. 16.2 Millionen Schweizer Franken. Das kommt sowohl dem Meenzer (Stichwort Berliner Flughafen) als auch der Bebbin (ihr seit Jahren im Umbau begriffener Arbeitsort) nicht ganz unbekannt vor.

Die Kirche heisst so, weil sie die in Spiralen aufsteigenden Nordlichter nachahmt, die wir bis heute nicht gesehen haben. Und damit deren Licht auch richtig aufgefangen wird, besteht die Fassade aus 40’000 Platten aus Titan. Der wahre Grund? Damit kann man sich die Putzkosten sparen. Die Bebbin überlegt sich, ob sie den Vermieter nicht vielleicht dazu bewegen könnte, ihre vier Wände – und vielleicht auch den Fussboden – innen entsprechend auszukleiden.

Die Architekten hatten beim Bau nicht mit dem Bischof gerechnet. Der Bau ist aus nacktem Beton, insbesondere innen. Das gefiel dem Bischof gar nicht. Und deshalb musste eine Verzierung her. Ziemlich fantasielos wurden an den Wänden hohle Kanäle angebracht, was den Bischof auf die Palme brachte. Deshalb wurden LED-Lampen angebracht. Aber die hiesigen Techniker hatten entweder zuviel Zeit auf einem Schiff verbracht oder zuviel getrunken: Auf jeden Fall schafften sie es nicht, die Leitungen gerade zu legen. Und weil das Ergebnis jetzt ein In-Door-Nordlichtfeeling vermittelt, darf keine Leitung mehr begradigt werden.

Von aussen wurde die Kirche  von Touristen zunächst nicht so recht als Kirche erkannt. Die einen dachten, es handle sich um ein besonders kunstvoll gestaltetes Kernkraftwerk, die anderen erinnerte sie an übereinander geschichtete WC-Papierrollen und die Bebbin dachte eher an eine schlecht gerollte Weihnachtspapierrolle. An Weihnachten erinnert auch der hohe „Kamin“, in welchem passenderweise auch eine Leiter angebracht ist. Einerseits damit Santa Claus nicht unelegant herunterkracht und andererseits für alle, die danach streben, eines Tages die Himmelsleiter zu erklimmen.

Bevor wir diese sehr eindrückliche Kathedrale verlassen, erfahren wir noch, dass die Jesus-Statue es fast nicht bis hierher geschafft hätte. 4.5 m hoch, 2 Tonnen schwer und aus Bronze gegossen, wurde sie von der fernen Toscana mit italienischen Lastwagen nach Norwegen transportiert. Sie kamen in Oslo an. Und es schneite und natürlich hatten die Lastwagen keine Spikes an den Reifen. Am nächsten Tag stand es auf vorderster Seite in den Zeitungen: Jesus war die Einreise nach Norwegen veweigert worden.“

Spikes statt eines Einreisevisums? Vielleicht wäre das ein interessanter Gedanke, um die Migration zu kontrollieren.

Zum Abschluss lassen wir uns in uralte, aber nicht weniger spannende Zeiten zurückversetzen. In die Steinzeit. Und wer glaubt, dass die damaligen Menschen wie die Schweizer am liebsten unter sich blieben und von Globalisierung noch nie was gehört hatten, der täuscht sich.

Diese Felsenzeichnungen, die in den Fels geritzt wurden, zum Unesco-Weltkulturerbe gehören und hier entdeckt wurden, finden sich auch in Nordschweden und Nordfinnland, also Meilen entfernt, und die aufgefundenen Pfeilspitzen aus Feldspat sind … aus Dänemark. Da damals noch kein Troll auf die Idee gekommen war, Zölle zu errichten, konnten also die Nordnorweger mit dänischer Qualitätsware ihre heimischen Rentiere und Elche erlegen. Die Menscheit kannte die Globalisierung noch lange bevor das Wort dazu erfunden worden war.

Ein Gedanke zu „Kultur pur

  1. Schade, dass diese imposanten Kunst-und Bauwerke so unerhört weit im Norden erstellt werden mussten: ein bisschen näher, und ich würde die Reise dorthin unbedingt in Erwägung ziehen! Schon nur für die Leiter!! Auch aus toskanischer Bronze ? Oder Gold?

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