Auenland

Auenland

Heute haben wir eine lange Fahrt vor uns. Die Welt der Hobbits liegt drei Autostunden entfernt – wenn man Google Maps glauben soll. Deshalb planen wir ganze fünf Stunden ein. Man weiss ja nie. Vielleicht gibt es den einen oder anderen Lookout. Oder den Ruf der Natur.

Nach einem ausgiebigen Frühstück in unserem Lieblingscafé, den wir uns mit ein paar frechen Spatzen teilen, machen wir uns auf den Weg.

Und schon geht es kurvenreich und steil den ersten Pass des Tages hinauf, und wieder hinunter. Nicht ohne Aussichtspunkt, versteht sich.

„Die Schweizer hätten hier einfach einen Tunnel gebaut“, beschwert sich der Meenzer, der vor lauter 35 km/h-Kurven die Landschaft verpasst.

„Ja. 24 Stunden Flug, um durch einen Tunnel zu fahren“, erwidert die Bebbin. Ihr merkt, die Stimmung ist total entspannt.

Zum Glück kommt gleich darauf die Rettung. Hot Water Beach, prangt es weiss auf braunem Grund. Wir nehmen die 9 km unter die Räder, gelangen am Ende auf einen grossen Parkplatz. Vor uns der Ozean. Wellen, die das Herz der Bebbin höher schlagen lassen. Richtiges Meer eben.

Zusammen mit hundert anderen Touristen ziehen wir die Schuhe aus, stapfen durch warmen Sand – es ist 11 Uhr morgens und gerade mal 16° C -, dann durch einen eiskalten Bach. Wo ist bitte das heisse Wasser?

Wir gelangen an den Strand. Hinter uns Lavagestein, vor uns endlose Weite. Eine Welle bricht – und die Bebbin findet sich in wadenhohes Wasser wieder. Kaltes Wasser. Die aufgerollten Hosenbeine tropfnass. Super.

Leider werden wir nie erfahren, ob der Hot Water Beach eine Abzocke ist oder echt, denn die nötige Badeausrüstung, um bis Hüfthöhe in den Wellen zu stehen, haben wir zuhause gelassen.

Endlich erreichen wir das Ziel unserer Träume – also jener des Meenzers auf jeden Fall. Hobbiton, das Dorf der Hobbits, wo die Geschichte des Herrn der Ringe ihren Anfang nahm. Unter uns gesagt: Die Bebbin hat von diesem epischen Werk gerade mal 20 Seiten gelesen und den kleinen Hobbit kennt sie nur als Film. Auenland ist also Neuland und als die Tourenleiterin nach Banausen fragt, die von Auenland nur den Namen kennen, strecken von 20 Nasen gerade mal zwei auf. Eine davon ist die Bebbin.

Was folgt, ist also ganz unfiltriert und ohne Gewähr auf Korrektheit das, was sie auf dem zweistündigen Spaziergang durch die Märchenwelt der Hobbits so aufgeschnappt hat.

Warum das Filmset ausgerechnet hier in dieser gewellten Landschaft mit Weiden, Kühen und sonst nichts aufgebaut wurde? Nun die Filmemacher suchte nach drei Dingen: Einem grossen Baum, ein paar Hügeln und einem See.

So kam es, dass sie eines Abends an Evan Russels Tür klopften. Der Grossfarmer sass vor dem Fernseher. Das Rugby-Spiel hatte gerade Halbzeit. So hörte er auch das Klopfen, machte auf und wurde zum reichsten Mann Neuseelands – oder der Gegend.¨

Ein halbes Jahr oder mehr dauerte die Erstellung des Filmsets. Falsche Hobbithöhlen, richtige Gärten und falsche Pflanzen und Bäume. An diesem Set erkannte die Bebbin einmal mehr, wie unwirklich die Wirklichkeit sein kann und umgekehrt.

Was glaubt ihr: Ist dieser Baum echt oder nicht? Nein. Ist er nicht. Un da der Stamm aus Stahlrohren und die Blätter aus Plastik gemacht wurden, gab es natürlich eine Panne. Die Blätter bleichten in der heissen neuseeländischen Sonne aus. Der Baum ergraute vorzeitig. Sie wurden Erntehelfer von der Ernte abgezogen, um … die Blätter einzeln frisch zu streichen!

Als die begeisterte Tourenleiterin fragt, warum die Hobbit-Höhlen verschieden gross sind, strecken die Streber die Hand hoch. Bilbo wurde vor einer normal grossen Behausung gefilmt, Gandalf aber vor einer kleinen, damit er auch richtig gross erschien.

Auch die Szene, in welcher Gandalf und Bilbo pfeifenrauchend auf der Bank sitzen und den Sonnenuntergang betrachten, brauchte etwas Unterstützung: Der Hügel ist nämlich … zum Sonnenaufgang ausgerichtet. Also mussten die beiden in aller Herrgottsfrühe aus den Federn, um pfeifenrauchend zu sinnieren. Danach wurde der Sonnenaufgang passend eingefärbt.

Am Schluss gibt es ein Gratis-Bier aus dem Pub „Green Dragon“ und ein Geschenk: Eine echt schöne Tasse aus Steingut, natürlich mit Drachen.

Auenland gibt es also doch. Und Hobbits vielleicht auch…

 

2 Gedanken zu „Auenland

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