Wilder Westen
Nach einer Tagesfahrt von 460 km quer durch Neufundland sind wir an der Westküste angekommen. Es regnet. Ein paar Aquaplaning-Sequenzen sind das Highlight des Tages.
Das Hotel mit Sicht auf die Bucht und einen fernen Leuchturm erinnert die schaudernde Bebbin an ihre früheren Gruppenreisen.
Die Zimmer, eins neben der Wäscherei, das andere neben der Werkstatt und das dritte beim Eiswürfelautomaten haben den Charme einer Fernfahrerunterkunft – oder so stellen wir uns eine solche vor. Sicht auf eine Bretterwand und auf die Gartenstühle der anderen. Die Stimmung in der Gruppe hat Ähnlichkeit mit dem Wetter.
Wir flüchten also gleich nach dem Auspacken ins Hoteleigene Pub. Eine Bloody Mary, ein halber Liter lokales Bier und Wein heben die Stimmung, auch wenn die Zwiebelringe ausgegangen sind.
Kurz vor unserem Essenstermin im hauseigenen Restaurant, überfällt eine Busladung Senioren den bis anhin gemütlichen Pub. Wir verschieben uns diskret ein Stockwerk höher.
Rocky Harbour war mal ein Fischerdorf. Wie uns ein Einheimischer, der sich zum Leben nach Labrador abgesetzt hat und hier nur noch in den Sommermonaten die Mama besucht, wortreich erzählt, hat sich der Ort zur Touristenfalle gemausert. Es stimmt. Ein Gift-Shop nach dem anderen, eine Gallerie nach der anderen.
Interessant ist aber die Art, wie hier Wäsche aufgehängt wird. Von einem Strommasten zum anderen? Nein. Es ist nur ein strommastähnlicher Pfosten mit Rädern und einem Seil dran. So kann man seine Wäsche über den ganzen Grund und Boden ausbreiten, ohne sich zu sehr strecken zu müssen. Findet die Bebbin eine sehr gute Sache.
Das Wahrzeichen von Rocky Harbour liegt gute drei Kilometer entfernt. Ein Leuchtturm. Wir machen einen Spaziergang ums Haus herum sozusagen und haben endlich wieder einen ungehinderten Ausblick auf Tang und Geröll. Es ist wie immer Ebbe.
Nicht weit entfernt lockt ein Küstenpfad. Das Gras biegt sich unter den Windböen, der Regen klatscht uns ins Gesicht. Richtiges Neufundlandwetter eben. Die Bebbin gerät ins Knipsen.
Und als sich nach der nächsten Wegbiegung ein verstecktes Örtchen offenbart, ist auch der Rest der Truppe begeistert. Rot, blau, grün: Die paar Häuschen setzen auch hier ihre fröhlichen Farbtupfer erfolgreicht gegen das Grau des Himmels durch.
Und bei Sonne und Flut, dann wäre dies sogar ein Ort zum Verweilen…