Zurück zur Urzeit
Endlich machen wir uns auf den Weg Richtung Westen. Myvatn ist unser abendliches Ziel. Die Ringstraße zieht sich endlos durch Täler, niedere und hohe, über eine Hochebene, die sich durch spärliche Schafzucht auszeichnet und prompt verfehlen wir die Strasse, die uns zu einem netten Seelein mit einem netten Café in einem netten renovierten Torfhäuschen geführt hätte. Stattdessen finden wir uns – ganz touristengerecht, aber völlig deprimierend, in einem Déjà-vu Erlebnis wieder. Schwarze Hügel ragen düster beidseits der Strasse, die sich wie ein trauriges Band durch schwarzes Geröll windet. Keine Schafe, kein Blümchen, ja nicht mal Moos. Islands Vergangenheit hat uns wieder eingeholt.
Und als es Kilometer weiter endlich wieder schwach zu grünen beginnt, lassen wir uns vom grossen Plakat an der Strasse verführen: Coffee & Cake! Vier Kilometer auf staubiger Piste und dann ein einsames Farmhaus, davor einige Autos, Pferde, ein Schneemobil und hinter dem Rasen flattert die Bettwäsche fröhlich in der eisigen Sonne. Wir treten ein … und sind bei den Leute zu Hause. Ein Raum, drei Tische mit Stühlen, bunt zusammengewürfelt, auf der Anrichte eine Thermosflasche isländischen Kaffees, Becher vollgestopft mit Besteck und zum Kaffee ein Stück selbst gemachter Rhabarberkuchen. Aus dem Raum der Blick in drei Schlafzimmer, karg eingerichtet, weiß bezogen, bereit für einsame Reisende auf der Suche nach Schutz in diesem isländischen Outback. Wir müssen weiter, nicht ohne die einzige Katze ganz Islands begrüsst zu haben und sind sicher: Das war’s also. Die nächste Stunde ist nichts mehr zu erwarten.
Die Überraschung kommt ohne Vorwarnung. Die Berge ragen um uns wie immer, braun und beinahe vegetationslos.
«Dort!» ruft die Bebbin plötzlich. Im Schreck tritt der Meenzer, der nebenbei bemerkt, die ganze Zeit als Fahrer fungieren darf und das mit Bravour, scharf auf die Bremse. Ein Hintermann hätte uns etwas gekostet, aber Verkehr ist in Island ein Gerücht. Als hielte sich der Berg für einen Schornstein, steigt aus seiner Flanke weißer Rauch auf.
Und dort! Näher an uns dampft die Erde und wir sehen: Wir sind nicht die Ersten. Eine Nase voll genommen und alles ist klar. Aus zahlreichen Ritzen steigt Dampf empor, unter hohem Druck auf 200° C erhitzt, die halbe Gegend ist wie ein schlecht geschlossener Dampfkochtopf. Schlamm blubbert, es zischt und stinkt zum Himmel.
Der Boden ist gelb und brüchig. Wir können unser Glück nicht fassen. Und kein Wort davon im Reiseführer. Eine Sekunde lang erwägt die Bebbin, sich beim Reisebüro zu beschweren. Aber das Schauspiel ist für solche Kleinigkeiten einfach zu großartig.
Die Befürchtung, eine ereignislose Fahrt zu haben, hat sich definitiv in Dampf aufgelöst und so erreichen wir nach langer Fahrt endlich die gemütliche Farm in Laugar, die uns für einige Tage beherbergen wird.