Natur pur

Natur pur

Wir wollten nicht mehr wandern. Jedenfalls heute nicht. Daraus wurde aber nichts. Hoffnungsvoll wachten wir heute Morgen auf: Es regnete in Strömen, genau wie zuhause. Wie schön. Die Wolken hingen tief, es war heimelig wie bei uns in den Bergferien.

Wir setzen uns also entspannt ins Auto und fahren Richtung Skaftafell-Nationalpark. Dort gibt es Wanderungen von 30 Minuten, einer Stunde, eineinhalb Stunden oder gar sechs Stunden. Wir dürfen alles und müssen nichts. Wir können dort vielleicht im Visitor Center was über die Gegend lesen oder sehen, einen ungenießbaren Filterkaffee trinken, Pause machen und dem Regen zuschauen.

Als wir eine gute Stunde später ankommen, hat sich der Regen längst verzogen, der Himmel aufgeklart und es gibt keine Ausrede. Wir schnüren die Wanderschuhe und machen uns auf dem Weg zum gefühlten Hundertsten Foss in vier Tagen, auf einem breiten Weg, der der halben Welt Platz bietet und anfangs natürlich wie immer steil hoch geht. Kennen die denn in Island keine Kurven? Eine halbe Stunde hoch, eine halbe runter, das scheint perfekt.

Wie immer kommt es anders, als man denkt. Am Svartifoss, das sich völlig linkslastig vor einer Wand aus Basaltsäulen in eine nicht so große Tiefe stürzt, teilen sich die Wege.

Das Wetter ist gut, in der Ferne reckt ein Gletscher sein strahlendes Haupt, die Wolken rasen durch den Himmel und geben ihn frei, die Moorkräuter duften, fremde Vogelstimmen locken.

Die Zeit steht still. Wir wenden uns nach rechts. Ein Wald aus niedrigen Moorbirken und Eschen, aus Gras und gelben, violetten, weissen Blümchen säumt unseren Pfad. Die Touristen verschwinden nach links, es wird ruhig. Vögel mit Stimmen wie Orgelpfeifen verstecken sich in den Ästen, ein kleiner braun Gefiederter hüpft vor uns her und will sich nicht porträtieren lassen.

Ansonsten kein Laut, kein Rascheln. Hinter uns leuchtet der Zipfel des Gletschers mehr und mehr, tief unten vor uns erstreckt sich die Weite der Ebene bis hin zum Meer, das am Horizont nur zu erahnen ist. Ein Fluss mäandert dort seinem salzigen Ziel entgegen, milchig-braunes Gletscherwasser im Sommerlicht. 1 ½ Stunden später kommen wir wieder am Visitor-Center an. Wir wollten heute ja nicht wandern.

Fitbit ist mit uns zufrieden. 10000 ehrliche Schritte. Das ist schon ein beachtliches Resultat für einen Morgen. Nicht zu vergleichen mit den 22000 von Laki. Die 300 Meter Höhenunterschied konnten diese Zahl rechnerisch unmöglich hervorbringen. Des Rätsels Lösung? Der rüttelnde und rumpelnde Bus bescherte uns bei jeder Radumdrehung einen Schritt. Gratis. Ganz ohne Mühe… Ist empfehlenswert.

Nach der Wanderung geht’s gleich weiter zum Vatnajökull, dem Gletscher in dessen Mitte ein Vulkan döst. Riesig dehnt er sich vor uns und endet in einer herrlich blauen Lagune, in welcher viele kleine Eisberge vor sich hin treiben. Ein Flüsschen entwässert die Lagune und zieht eilige Eiswürfel mit sich Richtung Meer. Ein schönes Schauspiel.

Ein kleines Intermezzo kann die Stimmung nicht verderben: Über dem Parkplatz kreisen kreischend Möwen, weißer Bauch, schwarzer Rücken, wie fliegende Pinguine. Die Bebbin muss sie einfach fotografieren. Aber sie hat mit einem nicht gerechnet: Sie nisten. Im Gras rund um den Parkplatz, im Gras mitten im Parkplatz und fühlen sich durch die Millionen von Touristen gestört. Im Sturzflug fliegen sie über unsere Köpfe hinweg und ziehen alle Register. Bevor die Bebbin weiß, wie ihr geschieht: Klacks, trieft ihr ein flüssiges Wurfgeschoss über die Wange! Nicht schlecht. Der Meenzer krümmt sich vor Lachen und bedauert noch Jahre hinterher, kein Bild davon gemacht zu haben. Sehr lustig.

Die Fotos der Möwen sind trotzdem auf der Speicherkarte und das Andenken ist schnell weggewischt. Und ein Trost noch: Die Bebbin bleibt nicht das einzige Opfer. 

2 Gedanken zu „Natur pur

  1. liebe Bebbin, das sind Seeschwalben, keine Möwen!
    Habe Ähnliches selbst einmal in Island erlebt – sehr aggressive Vögelchen! 🙂
    Weiterhin gute Reise und take care!

    1. Liebe Denise

      Das stimmt natürlich. Eine Küstenseeschwalbe, um genau zu sein. Einer solchen bin ich früher mal in Helsinki begegnet. Übrigens eine sehr harmonische Begegnung …. 🙂
      Vielen Dank für den Kommentar und liebe Grüsse
      Die Bebbin

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