Im Westen wenig Neues

Im Westen wenig Neues

Wir sind nun sehr im Westen am Fuss der neuseeländischen Alpen angelangt. Der verschlafene Ort Te Anau liegt am gleichnamigen See. Dieser ist mit 344 km2 der grösste Gletschersee der südlichen Hemissphäre und damit auch die grösste Süsswasserquelle des gesamten asiatischen Raumes. Sein Maori-Name bedeutet übrigens „Höhle des wirbelnden Wasser“ und vielleicht würden wir den tieferen Sinn des Namens ergründen, wenn wir länger hier verweilen könnten. Von wirbelndem Wasser fehlt hier jedenfalls  jede Spur. Und für die Skeptiker unter Euch: Nein, es ist nicht der  Zürichsee. Das erkennt man schon daran, dass der Goldhügel fehlt.

So beschaulich der Ort auch sein mag, wir haben dafür keine Zeit. Kaum angekommen und im Hotel eingecheckt, geht es schnurstracks zur Anlegestelle, wo nicht nur historische Fahrten angeboten werden sondern ein Erlebnis der besonderen Art: Die Glühwürmchen-Höhle.

Nun ist es so, dass nicht nur die Kiwis nachtaktiv sind, sondern auch die Glühwürmchen. Und bei (Blitz)-Licht wären sie schlecht zu sehen. Für eine lange Belichtungszeit, am besten von ein paar Stunden, fehlt bei dieser Tour das Zeitfenster. Kurz: Fotografieren verboten. Zu allem Übel hält das Visitor Center das Wunder der Glowworm Cave so streng unter Verschluss, dass es für die begeisterten Besucher, die dafür ein Vermögen ausgeben würden, nicht einmal eine einsame Postkarte mit wenigstens ein paar Glühwürmchen darauf bereit hält. Jetzt ist also eure Vorstellungskraft gefragt. Wem es nun zuviele Buchstaben sind, der kann sich gleich weiter unten den Werbefilm ansehen. Für die anderen folgt hier unser Erlebnisbericht, quasi live. Der Höhleneingang ist dunkel und eher für Zwerge gemacht. Nichts für Leute mit Rückenproblemen, aber das haben sie bei der Tourbeschreibung vergessen zu erwähnen. Im Gänsemarsch und in gebückter Haltung quält ihr Euch hinein. Nur ein Metallgitter trennt euch vom tosenden Bach, der unter euren Füssen rauscht. Der Adrenalinspiegel steigt. Ein Höllenlärm erfüllt den Höhlengang: Ein Wasserfall mit gefühlten Millionen von Kubikmetern pro Sekunde, knapp beleuchtet, versperrt den Weg. Hoffentlich hält der Boden unter uns. Und das Geländer. Im Höllenlärm würde jeder Schrei ersticken. Dann tasten wir uns im Schein einer Taschenlampe in ein wackliges flaches Boot. River-Rafting etwa? Es gibt keine Schwimmwesten. Das Licht geht aus. Es ist pechschwarz und bleibt so. Wir entfernen uns vom Wasserfall, was schon mal gut ist. Wir sind anscheinend auf einem Höhlensee. Stille breitet sich allmählich über die Gruppe aus. Ob alle vor Angst gelähmt sind oder einfach nur ergriffen,  ist schwer zu sagen. Denn jetzt ist der grosse Augenblick gekommen. Wie Sterne am Himmel leuchten die Punkte in der Nacht. Mal einzeln, mal als Gruppe. Einen Moment lang vergessen wir das schwankende Boot, das eiskalte Wasser unter uns und sehen nur noch diese winzigen Lichter.

Diese haben aber einen grausamen Zweck. Wie Piraten in stürmischen Nächten locken die Glühwürmchenlarven damit ihre Beute. Und diese entkommt ihnen nicht, denn ähnlich wie eine Spinne hat das Glühwürmchen vorgesorgt. Es lässt eine Reihe selbstgefertigter klebriger Perlschnüre wie einen Vorhang herunterhängen. Die Beute verfängt sich darin und ist verloren. Das Unschöne dabei ist: Die machen keinen Unterschied. Sie nehmen was vorbeifliegt und gerade nicht im Würmchenstadium, sondern z.B. im Mottenstadium ist. Den Cousin, die ungeliebte Tante und auch den eigenen Nachwuchs, falls der sich hierher verfliegt. 

Glühwürmchen-Werbefilm

Endlich kommen wir wieder ans Licht und sind gar nicht traurig. Am nächsten Tag geht es weiter nach Westen zum berühmtesten Fjord von ganz Neuseeland, dem Milford Sound. Die Alpenüberquerung machen wir ganz unwild mit dem Bus und durch den einzigen Tunnel des Landes. Knapp beleuchtet. Roh behauener Stein und … einspurig. Die Schweizer unter Euch wären entsetzt. Aber er ist nur einen Kilometer lang und einmal dürfen die einen und einmal die anderen durch. Die Wartezeiten am Gotthard sind schlimmer.

Die Kreuzfahrt über den Milford Sound erinnert uns an die Hurtigrute, die wir noch nicht gemacht haben. Wasser, glatt und dunkel. Felswände rechts und links. Und noch genauso, wie James Cook sie damals entdeckt hat.

Ein paar vom Winde verwehte Wasserfälle.

In der Ferne den einen oder anderen Berg. Über uns kreisen hoch am Himmel statt Adler die Sightseeing-Helikopter. Hinter uns drängelt das nächste Sightseeing-Boot.

 

Wir halten nach Minipinguinen Ausschau und der Einzige, den die Bebbin entdeckt, taucht unter, bevor ihre Kamera reagieren kann.

Der Meenzer ist begeistert. „Wir müssen die Hurtigrute unbedingt machen!“

Die Bebbin blickt um sich. „Du meinst den Milford Sound auf nordisch? Mit Wasser zum Beispiel, und Felswänden? Einfach ohne Grün? Dafür mit ein bisschen mehr Verfolgungsjagd?“

Der Meenzer schweigt diplomatisch. Er weiss aus Erfahrung: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Unter unter uns gesagt: Er weiss, dass der Milford Sound auch der Bebbin gut gefällt und knipst für sie den schönsten Wasserfall der neuseeländischen Welt.

 

 

 

 

 

 

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