Die Krux mit den Nachbarn

Die Krux mit den Nachbarn

Nach unserem kurzen Ausflug auf das geheimnisumwitterte Skye kehren wir aufs Festland zurück, sofern man bei Schottland und überhaupt beim nicht ganz so vereinigten Kingdom vom Festland sprechen kann. Noch ein letzter nostalgischer Blick auf die Burg, die in so vielen Filmen in Szene gesetzt wurde …

… dann fahren wir weiter zu  einem weiteren in Balladen und Geschichten überlieferten Ort. Glencoe. Das Wetter passt hervorragend zu dieser traurigen Überlieferung, die uns im Visitor Center nochmals in furchterregenden Bildern nähergebracht wird. Die Geschichte ist noch schrecklicher als die Bebbin sie in Erinnerung hatte. 

Als der Protestant Wilhelm von Oranien im 1688 die englische Krone dankend annahm, waren die Anhänger vom schottischen und katholischen Jakob II., der im Exil lebte, nicht amused und versuchten einen Austand, der völlig danebenging. Wilhelm aber liess Milde walten und forderte im August 1691 die Hochlandclans zum Treueschwur bis zum 1. Januar 1692 auf. Als loyale Untertanen ihres abwesenden Königs baten die Clanchefs aber zuerst um die Erlaubnis von Jakob II. Es ist nicht überliefert, ob die lahme Post Schuld daran war oder ob Jakob mit den Freuden des Pariser Lebens zu sehr beschäftigt war.  Sicher ist nur, dass die Erlaubnis von Jakob erst Mitte Dezember 1691 kurz vor dem Ablauf der Frist eintraf. Der Chef der MacDonalds machte sich zwar auf dem Weg nach Fort William, um einen sehr halbherzigen Schwur abzulegen, aber als er endlich ankam, war niemand da, der diesen entgegennehmen konnte. Er reiste weiter nach Inverary. Aber damit leistete er seinen Schwur Tage zu spät. Wer für den Staat jemals gearbeitet hat, weiss: Eine Frist ist eine Frist und die MacDonalds hatten sie verpasst.

Kurz. Ein Regiment, mit einem Campbell an der Spitze, wurde unter einem Vorwand ins Tal geschickt, wo die Männer von den arglosen MacDonalds bewirtet wurden. 14 Tage hausten die Verräter dort und genossen ihr Gastrecht. Und dann, am 13. Februar 1692, überfielen die Gäste ihre Gastgeber mitten in der Nacht und töteten alle, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Die Campbell behaupteten zwar felsenfest, dass nicht sie, sondern irgendein anderer hochrangiger Offizier den Befehl zum Töten gegeben hatte, aber selbst wenn es der Fall gewesen sein sollte: In den Ohren der Bebbin klingt diese Ausrede doch ziemlich lahm. 

Noch heute gedenken die MacDonalds aller Länder dieses Ereignisses und gilt das geflügelte Wort: Trau nie einem Campbell.

Für moderne Schotten ist das Massaker von Glencoe trotzdem längst Geschichte. Heute ist das Tal nämlich ein Paradies für Bergsteiger – besonders wenn sie das Kleingeld für die Besteigung der Dufourspitze oder des Mount Everest  oder auch nur für eine etwas modernere Ausrüstung noch nicht haben.

Wir ihr euch vorstellen könnt: Auch mit einer modernen Ausrüstung würden weder die Bebbin noch der Meenzer einen Fuss ausserhalb der geteerten Wege setzen. Trotzdem hindert uns das nicht daran, den Pass zu überqueren und uns, zurück im Flachland in Inveraray, bei der Gegenpartei umzusehen. Denn die Campbells sind nicht irgendwer.

Zu den Zeiten des Massakers von Glencoe stand erst ein hundsgewöhnliches Castle an den Ufern des Lochs Fyne. Im 18. Jh. kam dann ein Campbell auf die Idee, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Er war nämlich gerade Herzog geworden.

Das Resultat ist nicht unbeachtlich. Von der reizenden Parkanlage abgesehen mit einem Rasen, der selbst unseren Vermieter zum glücklichsten Vermieter Münchensteins machen würde abgesehen, besticht ganz besonders die beeindruckende Waffensammlung. Sie würde gewisse neuzeitliche Kriegstreiber vor Neid erblassen lassen.

Der Bebbin gefallen auch die wertvollen Wandteppiche. Mit dem Verkaufserlös hätte sie sich vermutlich bereits einen gemütlichen Vorruhestand gönnen können. Und der Meenzer auch. Doch viel besser ist: Das Haus hat einen Geist!

Der Geist war ein 14-jähriger äusserst begabter Harfenspieler. Im Jahr 1644 wurde die alte Burg von missgünstigen Nachbarn, nein, nicht von den MacDonalds, angegriffen. Was fand Mr Campbell, damals schon Lord of Argyll, Besseres zu tun? Er rannte um sein Leben und liess Familie und Mannschaft zurück. Darunter eben dieser arme kleine Harfenspieler, der keine Zeit mehr fand, seine Künste den neuen Herren vorzuführen. Sein ermordeter Körper wurde auf einem prunkvollen Bett hinterlassen. Der zurückgekehrte Campbell hatte jedoch die unglückliche Idee, das Bett in sein neues Zuhause umzuziehen – und der Geist des Jungen zog mit dem Bett ein. Immer wenn ein Mitglied der Familie im Begriff ist zu sterben, ist seither die engelhafteste Harfenmusik aller Zeiten zu hören. 

Das Schloss rühmt sich noch einiger weniger relevante Geister, die wir weder gesehen noch gespürt noch gehört haben. Aber das wäre ja die falsche Tour gewesen.

 

 

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