Ess-Stress
Am nächsten Morgen kommt – zusammen mit dem knurrenden Magen – die Ernüchterung. Hosen, Unterwäsche und die Freizeitschuhe der Bebbin sind mehr als nur klamm. Das Dumme ist: Wir müssen weiter zur nächsten Destination. Da hilft nichts. Haushatspapier in die Schuhe, alles separat einpacken und auf die Ankunft im nächsten Hotel warten.
Um 8 Uhr Versammlung vor der Haustür fürs gemeinsame Frühstück. Dann die weitere Ernüchterung. Frühstück gibt’s im Restaurant am Hafen, aber … ab elf Uhr! Da sind wir längst über alle Hügel.
Wir verabschieden uns also schweren Herzens von unserer Suite
und der freundlichen Wirtin und nehmen nach einem Blick ins Internet den Weg zum nächsten Restaurant unter die Räder. Nach einer halben Stunde Fahrt, ihr ahnt es schon, denn aller guten Dinge sind drei: Das Restaurant mit den besten Pommes von ganz Neufundland öffnet fürs Frühstück … um elf.
Wir stellen fest: Wir haben die seltsamen Essenszeiten der Neufundländer noch nicht ganz verinnerlicht und ergeben uns. An der Tankstelle nebenan tanken wir voll mit eingepackten Sandwiches und einem halben Liter zuckersüssem Vanillekaffee. Snickers. Kekse, Trockenfleisch, Studentenfutter. Alles, was ein Kanada-Tourist zum Überleben braucht.
So gewappnet fahren wir weiter zum Terra Nova Nationalpark, wo wir in geschlossener Formation auf Bärensuche gehen. Zur Erleichterung der Bebbin finden wir weder Bärenabdrücke noch Bärendreck. Dafür jede Menge Touristen – und Quallen. Baden auf eigene Gefahr…
Unser nächstes Ziel ist kein Walbeobachtungs-Unternehmen, sondern ein echter Ort, genannt Happy Adventure. Eine Kirche, eine Fischerei, ein paar Häuser und unsere Unterkunft. Aber was für eine!
Die nordamerikanischen Ausmasse erstaunen uns immer wieder. Ein eigener Kühlschrank. Eine Nespressomaschine. Der Teekocher. Terrasse mit Blick auf die Bucht und ganz viel Platz, um den halben Koffer zum Trocknen rauszuhängen. Die ganze Gruppe ist begeistert.
Den Abend beschliessen wir mit einer kulinarischen Spezialität. Elchsteak. Pures Muskelfleisch, meint der Wirt. Völlig fettfrei. Roh, halbroh, medium, halbdurch und ganz durch: Die Verhandlungen sind zäher als das Fleisch, das mit Blaubeeren-Chutney, an Soyasauce angemachte und noch bissfeste Karotten-, Rotkohl und Mangoldstreifen serviert wird. Und die unvermeidlichen Pommes, die mit jenen von Mc Donalds einfach nicht konkurrieren können.
Ein Leckerbissen, auch wenn einer von uns doch noch Fett und Sehnen findet. So wie die Bebbin selbst in einem Fischstäbchen noch Gräten entdeckt.
Zum Abschluss kommt der Wirt beinahe errötend, in den Händen Schokolade für den Kaffee . „Ich weiss, es ist jetzt etwas ironisch: Ihr macht den ganzen Weg von der Schweiz nach Kanada und bekommt Schweizer Schokolade!“
Als wir die Schokolade entgegennehmen, kommt eine Sekunde lang ein bisschen Heimatgefühl auf. Warum denn in die Ferne reisen, wenn das Gute liegt so nah…
Ein Gedanke zu „Ess-Stress“
Vom Ambiente Eurer Suiten bin ich sehr angetan.
Dass unter breakfast eher lunch verstanden wird, ist schon ziemlich ärgerlich.
Dass im Muskelfleisch Sehnen und Fett zu finden sind, war eigentlich vorhersehbar, denn immerhin handelt es sich ja um NeuFUNDland.