Epilog – Was Nova Scotia ausmacht
Nova Scotia – ein vielseitiges Land in den Armen des Atlantiks. Aber wie schottisch ist es wirklich?
Letzter Versuch einer Annäherung.
Liebe Leserin, lieber Leser,
vor zwei Wochen machten sich die Bebbin und der Meenzer auf die Suche nach Spuren Schottlands in Neu-Schottland auf und was haben sie gefunden?
Die Schweiz in Gross!
Ja, der Küstennebel ist undurchdringlich wie jener in den Highlands und ja, die Vorliebe für Frittiertes kennen wir auch von dort. Die Abendessenszeiten von 18 bis 20 Uhr können schottischer nicht sein. Es gibt keine ungesunden Ablenkungen, die vom frühen Schönheitsschlaf abhalten könnten. Und in die verlassenen Täler des Cape Breton passt ein einsamer Dudelsackpfeifer wie der Bär im kanadischen Wald. Aber Nova Scotia ist mehr als nur Schottland.
Die Schotten, Iren und Briten sind in der Mehrheit, ganz klar, aber die Akadier sind überall. Mit der Fahne ihrer Vorfahren, ihrem ureigenen Französisch, ihren fröhlichen Festen und der Zweisprachigkeit.
„Hello, bonjour!“ Die Bebbin freut sich über die offene Begrüssung und fühlt sich in ihrem Element. Diese ausländerfreundliche Formel könnte man angesichts der zahlreichen Expats in Basel gut umsetzen und schon würden sie sich hier viel heimischer fühlen. Der Meenzer seinerseits freut sich, dass die Bebbin bald Französisch, bald Englisch nicht versteht und er mit seiner Gleichung „Ein Schlüsselwort = Ein Satz“ viel besser fährt. Ausser wenn die Zweisprachigkeit auf die Spitze getrieben wird…
Auch die Organisation des Staates ist den Beiden vertraut. Ein Staat – viele Provinzen. Und jede mit ihrer Extrawurst, besser gesagt: Extra-Mehrwertsteuer. Dass unsere Kantone noch nicht darauf gekommen sind, ist wohl nur der Widerstandsfähigkeit der Schweizer Neuem gegenüber zu verdanken. Immerhin war die Steckdose vereinheitlicht. Das überrascht wirkende Gesichtchen der Steckdose Typ B mit ihren aufgerissenen Augen und dem O-Mündchen bleibt Handy, Tablet und uns in freundlicher Erinnerung.
Die Religion kommt ebenfalls nicht zu kurz. Jedem Dorf seine Kirche oder zwei, auch wenn diese nicht mitten im Dorf stehen. Aber bis zum Schluss haben die Bebbin und der Meenzer nicht herausgefunden, wo ein Dorf beginnt und wo es endet. Sind die weit verstreuten Häuser nach dem Schild „French River“, eine Gemeinde, ein Dorf oder nur das Flüsschen, das wir gerade überquert haben? Das wissen nur die Neu-Schotten mit Sicherheit.
Und dann die Landschaft! Gut, die paar Hügel, die sie dort so grossspurig als „mountain“ bezeichnen, erinnern mehr an deutsche Berge. Aber die Flüsse, Meeresarme und Seen, die lassen sich sehen. Da gibt es ganz viel Platz für den einen oder anderen Lachs, für schwankende Kanufahrer, den obligaten kanadischen Nessie, ja sogar für die unzähligen kanadischen Touristen, so dass man kaum Gefahr läuft, einander zu begegnen.
So vertraut uns Nova Scota in vielerlei Hinsicht erschien, so fremd war diese Provinz in gewissen Dingen. Die Abfalltrennung! Trotz Erklärungen in Wort und Bild eine klare Überforderung jedes Touristen. Papier, Glas, Plastik, Verpackungsmaterial, Bio-Abfälle, gewöhnliche Abfälle… Selbst der an strikte Trennung gewöhnte Meenzer warf das Handtuch, Pardon, den Müll – am Ende genervt in die eine – 100%ig falsche – Tonne. Touristen werden im streng reglementierten Kanada deswegen hoffentlich nicht gleich verhaftet?
Und diese Treppen überall. Wir sprechen nicht von den Zimmern unter dem Dach und selbstverständlich ohne Lift, nein, wir meinen den Hauseingang zu einem dieser 10-Zimmer-Häuschen inmitten ihrer golffähigen Gärten. Egal ob mehrstöckig oder ebenerdig: Jedem Holzhäuschen seine vielstufige Holztreppe. Wo die ganz alten Leutchen oder gar an den Rollstuhl Gebundene leben, wagen wir nicht zu denken. Vielleicht leben sie in den Städten, richtige Städte mit Hochhäusern, Stosszeiten, Einkaufszentren und mehr als zehn Menschen pro qkm? Von Halifax, die Provinzhauptstadt von Nova Scotia oder Charlottetown, dem Hauptort der Prince Edward Island abgesehen, sind uns keine Städte begegnet. Sie sind ein bisschen wie die Bären: Ein Gerücht?
Für die Schweizer Hälfte des Reiseteams ganz ungewöhnlich: Das Meer, das keines war. Gut, es gab den einen oder anderen Ort mit rollenden Wellen, dem Donnern der Brandung, dem Eindruck von unendlicher Freiheit jenseits roter Klippen. In juckender Erinnerung bleiben jedoch mehr jene spiegelglatten Mückenbrutstätten, die man wohlwollend als stille Buchten bezeichnen könnte.
Wir haben unsere Vermieterin in Little Shemogue (auszusprechen wie schimuk) gefragt, warum sie und ihre Familie als Berliner ausgerechnet in diese Mückengegend gekommen sind.
„Wir waren hier im Winter, haben uns in diesen Flecken verliebt und haben beschlossen hierher auszuwandern. Wir haben es nicht gewusst. Dann war es zu spät…“ Das war vor sechs Jahren. Der Mensch gewöhnt sich an alles. Nicht so das Reiseteam. New Brunswick ist nix für uns, auch wenn es dort doch noch Deutsche gibt.
Über die Strassen haben wir bereits berichtet. Der Highway, eine Autobahn? Ja, aber… einspurig – und für (fast) alle. Wie gross unsere Verwunderung war, auf dem kaum vorhandenen Pannenstreifen Fahrradfahrer zu entdecken! Mit 100 km/h rasen wir an ihnen vorbei und hoffen, dass der nächste 60-Tonner einen gebührenden Bogen um sie machen wird. Die Eichhörnchen sind da viel weniger gefährlich.
Aber auf der Strasse findet man – abgesehen von Eichhörnchen, Füchsen und Kanadiern auch noch andere Kuriositäten: Fahrende Häuser! Umzug auf kanadisch?
So flink wie das Eichhörnchen ist, so gemütlich geht es in Nova Scotia zu und her. Ob im Strassenverkehr oder im Restaurant. Es gilt: Alles mit der Ruhe. Gemütlich ist es auch bei den Neuschotten zuhause. Geblümte Tapeten, flauschige Teppiche im ganzen Haus, tiefe Sessel, Matratzen, aus denen sich keiner mehr erheben kann und in jeder Badewanne ein Whirlpool. So gemütlich, dass es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben.
Ihr erinnert Euch an die feudale Unterkunft mit dem Hochzeitszimmer? Aber noch mehr stehen gebliebene Zeit findet Ihr hier. Es ist nicht der Nachtexpress Basel-Hamburg; Es ist viel besser! Verrückt, ursprünglich, besonders der Sprint zum Frühstück im Bahnhofscafé unter monsunartigem Regen. Das ist Action pur und entschädigt für das verpasste Bärenerlebnis. Beinahe.
Einen Bären anderer Art haben wir für Euch fotografiert. Einen lieben Bären, der gerade recht gekommen ist, um uns daran zu erinnern, dass jede Reise ein Ende hat. Und damit verabschieden wir uns von einem vielseitigen Land, von dem wir – und Ihr mit uns – nur einen viel zu kurzen Blick erhaschen konnten. Viel Neue Welt, aber auch ganz viel vom guten alten Europa. Schotten inbegriffen.
Welche Übernachtungsmöglichkeiten, welche Restaurants und andere touristische Spezialitäten wir weiterempfehlen, findet ihr unter „Tipps“.
Die Bebbin und der Meenzer hoffen, dass Euch unsere Berichte und Bilder gefallen haben. Wir danken Euch fürs Lesen und haben uns sehr über die Kommentare gefreut. Die nächste Reise kommt bestimmt und wir hoffen, dass Ihr wieder dabei sein werdet.
Eure Bebbi und Meenzer
2 Gedanken zu „Epilog – Was Nova Scotia ausmacht“
Hallo ihr zwei,
vielen Dank für die sehr amüsanten Berichte. Da bekommt man doch auch gleich Lust, wieder mal in die Ferne zu ziehen… 🙂
Gespannte Grüsse bis zum nächsten Abenteuer,
Yves
Hallo Ihr Lieben,
welcome back home! Vielen Dank für die schönen Bilder und Berichte.
P.S. Nächstes Mal mietet Ihr vielleicht doch den Dodge. Mit so vielen Mitreisenden war es doch etwas eng auf der Rückbank des Corolla 😉