Ein Höllenritt

Ein Höllenritt

Heute fahren wir zu fünft nach Trinity, 260 km nordwärts. Die Strasse erstreckt sich soweit das Auge reicht zwischen mehr oder weniger gesunden Tannenwäldern. Hie und da ein Tümpel. Seerosen, Schilf.

Nach der Metropole St. John’s ist Trinity ein Dorf.

Die Kirche, Das Gemeindehaus. Ein Restaurant am Hafen und – für manche ganz wichtig – ein Shop mit Ice Cream.

Ihr werdet staunen, aber die Sonne, wenn sie mal da ist, sticht hier genauso wie zu Hause. Und natürlich ist die Sonnencrème zuhause geblieben. Die Bebbin und der Meenzer hätten es aus Erfahrung zumindest wissen können.

Unser Guest House liegt nahe der Kirche – im Dorfkern sozusagen. Und als die Bebbin das Zimmer betritt, trifft sie fast der Schlag. Eine Suite. Schlafzimmer, zwei Bäder, Küche, Wohnzimmer. Eine solches Zimmer hätte sie sich zu Studienzeiten auch gewünscht.

Doch ist es schon drei Uhr. Kurz entschlossen buchen wir die vielgepreiste Walbeobachtungstour für fünf Uhr. Was wir vergessen zu fragen: Mit was für einem Boot?

Die Überraschung gelingt. Wir starren auf das rote flache Gefährt. Ein 14-plätziger Zodiak. Ziehen uns einen noch klammen, dicken Anzug an, mit dem man auf den Mond fliegen könnte. Die Bebbin beschwert sich. „Ich sehe aus wie ein Michelin-Männchen!“ Aber für ihr Gejammer hat keiner ein Ohr, viel zu sehr damit beschäftligt, sich wasserdicht zu machen. „Das wird ein bisschen eine raue Fahrt werden“, meint der Seebär, der schon mit Walen, Wasserschildkröten und Haien getaucht ist – und hoffentlich auch einen Rettungskurs mitgemacht hat.

Wie farbige Pinguine watscheln wir über den Steg und nehmen, zusammen mit einer Familie aus Ontario, jeder für sich rittlings Platz auf einem schmalen Sitz aus Kunstleder. Hinten eine Andeutung einer Rückenlehne, vorne ein Metallgriff. Kaum haben wir den Hafen verlassen, verstehen wir den tieferen Sinn hinter diesem Griff. Das ist der Ersatz für die nichtvorhandene Schwimmweste.

In Höllentempo rasen wir über die Wellen. Klatschen von Berg zu Tal, wie wir es uns selbst auf dem Jahrmarkt nie erträumt hätten. Mit jedem Schlag verlieren wir ein paar Zentimeter Körpergrösse und dem Meenzer fällt es mit Erleichterung ein, dass er Gönner des Paraplegiezentrums ist. Nicht, dass wir es soweit kommen lassen wollten…

Die Bebbin ist in ihrem Element. Wie die anderen hat sie gleich erkannt. Mit der Bewegung gehen, das ist das Geheimnis. Auf der Welle sitzen, beim Absturz stehen. Erinnerungen an einen Pferderitt vor vielen Jahren kommen hoch. Sie jauchzt und lacht mit den anderen um die Wette.

Als der erste Schwall sie seitwärts trifft und die Kapuze vom Kopf reisst, lacht sie noch. Als der zwanzigste Schwall ihr durch Reissverschluss und schlecht sitzendes Mondlandungsoutfit den Bauch runter bis in die Schuhe fliesst, lacht sie schon ein bisschen weniger.

Und als die Gruppe nach drei Stunden gerüttelter Fahrt weit aufs Meer hinaus nur die Flosse eines Thunfischs und  ein Adlernest beobachtet hat, ist die die freudige Stimmung zusammen mit der Sonne hinter den Schleierwolken versunken. Und dann: Ein Mondfisch! Ausgewachsen bringt der Kerl ein bisschen mehr als die ganze Gruppe auf die Waage: 1.2 Tonnen…

Einen letzten Höhepunkt gibt es noch. Wir schälen uns aus dem unnützigen Anzug und stellen das fest, was wir schon befürchteten. Wir sind durchnässt bis auf die Knochen. Und das einzige Restaurant des Ortes schliesst in 20 Minuten. Das Take-Away auch.

Wir können unsere jeweiligen Wohnzimmer nun voll geniessen, wie auch den Tee, den uns die Wirtin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Dass wir hungrig zu Bett gehen müssen, ist halb so schlimm. Wir machen wenigstens was für die Figur.

2 Gedanken zu „Ein Höllenritt

  1. Das ist schon etwas anders als auf der Hanseatic 😂. Da muss man zwar selbst für die wasserdichte Kleidung sorgen, bekommt aber hinterher einen heißen Drink und ein vorzügliches Menu. Die Zodiacfahrer fahren auch altersgerechter. 🙃.
    Viel Spaß weiterhin!

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