Abschied

Abschied

Wie schnell diese zwei Wochen vergangen sind. Es ist Zeit, von Schottland wieder Abschied zu nehmen.

Zugegebenermaßen war die Bebbin zunächst etwas skeptisch. Urlaub sozusagen um die Ecke. Ein Land, das sie schon besucht hatte und ihr wisst ja: Die Bebbin mag es neu, unbekannt und am liebsten weit weg. Auf jeden Fall, was die Ferien betrifft.

Aber dann war die Wiedersehensfreude groß. Die Hauptstadt Edinburgh zeigte sich von ihrer besten Seite. Die Gärten blühten wie damals, die Gebäude standen noch dort, wo sie stehen mussten. Auch der Dudelsackpfeifer.

Selbst die gruseligen Touren waren knapp dreißig Jahre später beinahe die selben. Ein paar Neuheiten gibt es. Das Essen hat sich entwickelt. Der Kaffee hat Einzug gehalten und ist ganz gut. Noch nie hat die Bebbin in einem angelsächsischen Land soviel Kaffee getrunken und Köstlichkeiten getestet, deren Namen passend zum Wetter hier hätten erfunden werden können, wie dieser ertrunkene Kaffee, auch Affogato genannt. Ein bisschen irreführend, meint die Bebbin. Nicht der Kaffee sondern eher die Amaretti-Krümel sind ertrunken.

Die Läden sind glutenfrei, laktosefrei und der Meenzer fühlte sich auch dort wie zuhause und steuerte das, was wirklich schmeckt, mit großer Treffsicherheit an. 

Die Secret Food Tour hat es ihm besonders angetan und der Haggis auch. Auf dieser Tour hat er nicht zuletzt die ergreifende Geschichte von Greyfriars Bobby kennengelernt, die die Bebbin euch noch versprochen hatte.

Bobby war ein Scotch Terrier, der sein Herrchen, ein Nachtwächter, jahrelang auf seinen Patrouillen in der Gegend des Greyfriars Friedhofs begleitete. Dann starb der Mann und der arme Hund blieb zurück. Bobby kam nicht über den Verlust hinweg und besuchte Tag für Tag das Grab. Doch Hunde hatten keinen Zutritt zu Friedhöfen und Bobby wurde jeden Tag daraus verjagt. Als echter Schotte ließ er aber nicht locker. Die Bevölkerung bekam Mitleid mit dem armen Hund und bearbeitete die Verwaltung der Stadt so lange, bis diese eine juristisch besonders ausgeklügelte Lösung fand. Die Stadt kaufte den herrenlosen Hund. Als Eigentum der Stadt durfte er von nun an auch den Friedhof betreten. Ausweisen konnte er sich mit einem speziell für ihn erstellten Dokument. Bobby überlebte sein Herrchen um viele Jahre und als er im hohen Alter von 16 Jahren starb, wurde er nahe am Friedhof begraben. Im Friedhof selbst erhielt sein Abbild einen Ehrenplatz, der bis heute Millionen von Touristen, Romantikern und Hundeliebhabern anzieht.

Doch war der Meenzer auch für etliche Meisterwerke zu begeistern. Die Burg natürlich, die fotografisch gesehen unter einem Heer von Touristen unterging.

Aber immerhin bleibt ihm die „One Hour Gun“ in Erinnerung. Eine Kanone die jahraus, jahrein täglich um 13 Uhr abgefeuert wird. Wer nicht im Sekundentakt lebt, kann sich danach richten. 

Nicht schlecht fand der Meenzer auch die Forth Bridge. Vor dem Bau dieser Eisenbahnbrücke über den salzhaltigen Forth Ende des 19. Jh. gab es eine Fähre. Fuhr diese nicht, so war der Umweg über die 37 km weiter landeinwärts in Stirling stehende Brücke die einzige Alternative. Es gab daher viele Anläufe, eine Brücke zu bauen. Einmal fehlte das Geld. Dann erhielt ein nicht besonders fähiger Ingenieur den Auftrag. Während er an seinem Entwurf für die Forth Bridge tüftelte, baute er an einer anderen Brücke weiter.  Diese war nicht von Dauer. Noch bevor der Ingenieur seinen Entwurf fertig hatte, stürzte die andere Brücke ein und erschütterte das Vertrauen der künftigen Fahrgäste schwer. Die Fähre war wieder hoch im Kurs.

Am 24. Februar 1890 war die Brücke endlich gebaut.  Ein Zug mit den Direktoren der beteiligten Eisenbahnunternehmen fuhr mehrmals über die Brücke, um deren Festigkeit zu beweisen. Da alle am Leben blieben, fand am 4. März 1890 die feierliche Eröffnung durch den damaligen Prince of Wales statt. Sie war eine Sensation. Sie hatte die größte Spannweite aller Brücken weltweit. Diesen Rekord musste sie erst 1919 an die Québec-Brücke abtreten. Sie gilt als die erste Brücke, die im Gegensatz zu dem bis dahin verwendeten Schmiedeeisen vollständig aus Stahl hergestellt wurde. Es gibt nur einen kleinen Haken. Der Stahl ist nicht rostfrei und so muss die Brücke ständig neu gestrichen werden. Kaum ist man am Ende angelangt, kann man wieder von vorne beginnen… Das kommt der Bebbin irgendwie bekannt vor.

Doch gibt es nicht nur die schottische Hauptstadt. Weiter ging es die Ostküste entlang, deren Sehenswürdigkeiten mehrheitlich in Nebel versanken. Schuld daran muss die schlechte Beziehung zwischen den heiligen Brüdern Andrew und Petrus sein. Immerhin hatten wir klare Sicht auf die Universitätsgebäude von St. Andrews, die für die Bebbin aussehen, als hätte Harry Potter dort studiert. 

In Schottlands Norden haben wir einige einheimische Tiere angetroffen, die über unseren Besuch nicht besonders amused waren.

Andere waren leider selbst noch auf Reisen und hatten vergessen, im Facebook ihre Abwesenheit rechtzeitig zu melden.

Wie ihr wisst, glänzte auch Nessie durch Abwesenheit, doch konnten wir tatsächlich einen Blick von einem Bewohner erhaschen, dessen Vorhandensein uns langsam aber sicher genauso legendenhaft zu sein schien. Eine Kuh! Oder wie die Schotten das Tier auch liebevoll nennen: The Coo.

In den Highlands konnten wir dank einer unerwarteten Verschnaufpause die Landschaft ausgiebig kennenlernen und den Unterschied zwischen Kilometern und Meilen besser verstehen. Wir konnten auch Einsicht in die Sinnlosigkeit gewisser Touristenfallen gewinnen und eine berühmte Höhle Höhle sein lassen.

Wir haben gefühlte Millionen von Burgen gesehen und die Bebbin ist froh, dass sie ein paar Jahrhunderte später zur Welt und in den Genuss der Zentralheizung gekommen ist. Selbst in den Torfhütten muss es gemütlicher, wenn auch etwas verrauchter gewesen sein.

Die Insel Skye konnte in diesen zwei Wochen ihre Schönheit nicht so recht entfalten, aber dafür sind die Bewohner dort besonders gastfreundlich. Selbst ein zugiger Unterbau kann einen gemütlichen Touch haben Bebbin und Meenzer durften auch kurz von einem selbst erzeugten Sommerfeeling profitieren. 

Im Gefängnis von Inveraray haben wir einen, glücklicherweise vorübergehenden, Eindruck von weniger gemütlichen Lebensverhältnissen im 19. Jh. gewonnen. Zwangsarbeit ohne wirtschaftlichen Wert, täglicher Auslauf hinter luftigen Gittern und monatelange Haft für ein gestohlenes Stück Brot. Selbst für Kinder unter zehn Jahren keine Seltenheit. Die heutigen Straffälligen wissen gar nicht, wie sehr sie ihre Wohnsituation schätzen könnten. 

Eine Stippvisite auf einer Schafweide hat uns daran erinnert, dass die Schotten nicht die ersten Bewohner der Gegend waren und nein, wir meinen nicht die Schafe.

Die schottischen Nachfahren haben den Umgang mit Steinen verfeinert und ehrlich gesagt: Dieser liegt der Bebbin etwas näher, da weniger abstrakt.

Über die Zwistigkeiten um ein paar vereinsamte Berghänge haben wir bereits berichtet und wir sind nicht sicher, ob angesichts der verhärteten Fronten die Schweiz hier noch etwas hätte bewirken können.

Die Bebbin hat den Meenzer zum Schluss interviewt. „Jetzt, da du diese andere Schweiz kennengelernt hast, würdest du nochmals dorthin fahren?“

Die Antwort kommt wie aus der One Hour Gun geschossen. „Auf jeden Fall. Auch wenn Schottland ein Regenland ist.“

Hier muss die Bebbin protestieren. Ein solch mieses Sommerwetter gab es dort noch nie. Fast nie. Das haben sämtliche B&B-Gastgeber bezeugt. Schottland ist höchstens ein regenreiches Land. Und zwischendurch gibt es ja blaue Flecken am Himmel.

Der Meenzer hatte mit dem Wetter generell kein Problem, denn im Gegensatz zur Bebbin hatte er ja die richtige Kleidung dabei. Ein nochmaliger Ausflug über die Nordsee würde ihn reizen. Für die Highland Games zum Beispiel – schließlich hat er schon die passende Ausrüstung. Ein Sprung zur Westküste der Isle of Skye wäre auch was. Oder ein bisschen mehr Highlands, aber bitte mit Ersatzreifen, genügendem Biervorrat und einem Not-Zelt. 

Nach den klimatischen Erfahrungen der letzten Wochen liebäugelt die Bebbin aber mit einem anderen Ziel. „Wie wäre es mit einer Destination etwas weiter südlich? Das Tessin zum Beispiel. Oder Südafrika?“

Ihr ahnt schon. Es steht eine harte Verhandlungsrunde bevor. Aber vorerst möchten wir euch, liebe Leserinnen und Leser, für die vielen motivierenden Kommentare und die intensive virtuelle und treue Teilnahme an unserer Reise ganz herzlich danken.

Die nächste kommt bestimmt.

Eure Bebbin und Meenzer

 

4 Gedanken zu „Abschied

  1. Ich wünsche Euch beiden eine gute Heimreise und einen schönen Sommer in der Heimat.
    Auf Eure nächste Reise und Eure Berichte freue ich mich schon.
    Viele Grüße,
    Gerald

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