Special Edition – Ab aufs Meer
Liebe Leserin, lieber Leser
Dieses Jahr haben wir eine Bonus-Runde für Euch. Die Tage werden kürzer, dunkler, nasser. Kommt also mit zu unserem Blitzurlaub in den Süden. Da staunt ihr, nicht? Hat unser innerer Kompass vielleicht eine technische Panne? Ihr könnt es wohl kaum glauben, aber wir schwören, dass wir eine solche Reise nie im Traum hätten machen wollen.
Die Rede ist von einer Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer. Geschenkt. Es ist nicht zu glauben. Es gibt noch solche Arbeitgeber, aber das ist ein anderes Thema. Also, Hand aufs Herz: Wer könnte bei einem solchen Angebot nein sagen?
Die Skepsis ist groß. Es gibt tausend Einwände. Eine Reise à la «Traumschiff»?
«Ich habe keine weiße Kleidung für das White Dinner!», ist der erste Einwand der Bebbin, denn Weiß steht ihr ganz und gar nicht. Der Meenzer setzt zwar andere Prioritäten, aber in Sachen Kleidung muss auch er passen. «Ich hätte da noch eine weiße Uniformhose aus meinen Kutschenfahrten-Zeiten», überlegt er laut.
«Mit schwarzen Schnallenschuhen und Gamaschen? Einer blauen Jacke?» Einen flüchtigen Moment lang sieht die Bebbin ihren Schatz in einer schmucken preussischen Garde-Uniform aus dem 19. Jahrhundert. Gar nicht schlecht, oder?
Aber die Kleidung ist das kleinste Problem.
«Stell dir vor: 3000 Leute!», sagt der Meenzer und es klingt wie eine Drohung. Die Bebbin sieht es seiner sorgenvoll gefalteten Stirn an, dass es 2998 Leute zu viel sind. Vermutlich war Noahs Arche gemütlicher.
Für die Bebbin, die bereits Erfahrungen im Kreuzfahren hat, sind es nur 2700 Leute zu viel, aber wir wollen nicht über Kommastellen diskutieren. Ihre Befürchtungen drehen sich nicht so sehr um Zahlen, als eher um das Greifbare. «Wie soll ich auf einem solchen Ungetüm ein Meeresfeeling bekommen? Unser Bett, wenn du dich nachts umdrehst, wird mehr schwanken als dieses Teil, das den Namen Schiff nur verdient, weil es aus unerklärlichen Gründen auf dem Wasser liegen bleibt. Hoffentlich.» Sie gibt es offen zu: Physik war nie ihre Stärke und was sie sagen will, ist: Eine Schifffahrt ohne Wellen ist wie ein Flug ohne Turbulenzen. Langweilig.
Der Meenzer nickt, nicht zur Sache mit dem Bett, sondern in Erinnerung an seine Segelschein-Ausbildung in Kroatien. Da herrschte unverstelltes Meeresfeeling. Containerschiffe auf Kollisionskurs, Wellen, sechs Meter hoch, die diesen Namen auch verdienten. Ein ordentlicher Sturm.
«Vom ökologischen Fußabdruck nicht zu reden», fügt die Bebbin zweifelnd hinzu. Dass ihr Papa ihr Jahr für Jahr ihren nicht geringen Fußabdruck vorrechnet, wenn sie wieder mal das Weite sucht, ist natürlich ganz was Anderes.
Der Meenzer fühlt sich da unschuldig. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wären sie nach Kanada und Neuseeland vermutlich gesegelt. 100% ökologisch. Aber der Zeithorizont war etwas knapp.
«Die Einheimischen würden uns mit offenen Armen empfangen», witzelt er. Wir legen eine Schweigeminute ein für die betrogenen Einheimischen aller Küstenstädte der Welt. Wir haben auch volles Verständnis für die Leute. Ein unentwegter Strom von Touristen, die in organisierten Bustouren die Stadt an sich vorüberziehen lassen, die Kirchen von außen abknipsen, in der fünf-Minuten-Pause eine Tasse «I love Venezia» für die beste Freundin ergattern und den Wink der Kneipe um die Ecke mit dem Stuhl ignorieren, weil man nicht mal für einen Kaffee Zeit hat.
Wie gesagt, wir haben tausend Zweifel.
Aber die Gelegenheit ist zu verlockend. Endlich erhalten wir die Möglichkeit, unsere Grenzen auszureizen. Unsere Fähigkeiten im Bereich Kommunikation, Teamfähigkeit, Flexibilität zu testen. Und Spaß zu haben, hoffentlich. Wer würde das ausschlagen?
Wir haben uns angemeldet.
Marseille, Barcelona, Valencia und Palma. Und natürlich «Traumschiff» in echt. Ihr dürft euch auf einen unbeschönigten Blick auf die Welt des Massentourismus freuen.
Wir sind gespannt, ob unsere Vorbehalte berechtigt sind oder nicht und ob ein romantischer Trip zu zweit auf einem netten Segelboot nicht gemütlicher gewesen wäre…
In diesem Sinn: Schiff ahoi!
Eure Bebbin und Meenzer
3 Gedanken zu „Special Edition – Ab aufs Meer“
Wir wünschen euch“ immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!“
Familie Dessemontet aus Reinach hat mit 4000 Passagierschiffe Erfahrungen gesammelt, sogar 2x. Wir haben die gleiche Kreuzfahrt gemacht wie eure bevorstehende. Nun, wir sind gespannt wie es euch gefallen wird. Zwei Sachen vorweg:
1. Essen auf dem Schiff: Top! Gewichtszunahme praktisch unvermeidbar…also garantiert!!
2. Hautnahes Feeling mit Massentourismus mit teilweise Morgenstraichähnlichen Zustände sind Vorprogrammiert. Also nichts mit romantischer Zweisamkeit und flanieren.
Genossen haben wir unsere Reisen allemal. Das gleiche wünschen wir euch auch.
Eine Uniform aus dem 19. Jahrhundert ist ein Anachronismus,
eine Mittelmeerkreuzfahrt im Oktober vielleicht auch ;-).
Ich wünsche Euch eine gute Reise und freue mich schon auf Eure Bilder und Berichte.
Viele Grüße,
Gerald