Der Tourist denkt, der Einheimische lenkt
Seit der Meenzer die Reise nach Schottland durchgesetzt hat, schwelgt die Bebbin in Erinnerungen an Edinburgh. Die Gärten, die Royal Mile, der Dudelsackspieler am Bahnhof und gespenstische Führungen durch die Unterwelt der Altstadt. Museen ohne Ende und die herzzerreissende Geschichte eines treuen Hundes.
Sie hat sich an die Planung dieser drei Tage gemacht. Mit Erfolg dachte sie. Aber eben, auch eine Bebbin kann sich täuschen.
Nach planmässiger Landung und planmässigem Ausstieg aus einem Flughafenbus, der zusammen mit Bebbin und Meenzer sage und schreibe drei Passagiere mitführt, beginnt ein ungeplant langer Marsch zum Hotel.
„Hast du denn den Weg dorthin nicht ausgedruckt?“, fragt der Meenzer anklagend. Neben ihnen erstrecken sich die Princes Street Gardens, mit ihren Bäumen und Büschen und blühenden Rosen. Dahinter ragt unübersehbar die Burg vor blauem Himmel auf. Aber er hat andere Sorgen. Und die Bebbin jetzt auch.
Sie blickt verwirrt auf das Blatt Papier in ihrer Hand. Doch, hatte sie. Das Hotel sollte sich nur wenige Minuten von der Bushaltestelle entfernt befinden. Wie sich herausstellt, stimmt das auch. Wenn man an der richtigen Haltestelle aussteigt.
Dafür hat der Meenzer jetzt Gelegenheit, die Fassaden der Altstadt zu bewundern. Die Abendsonne taucht die grauen Quadern in sagenhaft goldenes Licht. Nostalgie überkommt die Bebbin. Es ist so lange her.
Doch die Zeit tickt. Es ist nach 19 Uhr, als Meenzer und Bebbin völlig erschöpft im Hotel ankommen.
„Essen?“, fragt der Receptionist, als hätten wir nach einem Flug zum Mond gefragt. „Hier isst man früh, wissen Sie. Wenn Sie jetzt gleich losgehen, dann …“
Dann besteht vielleicht eine mikroskopische Chance, etwas anderes als eine Packung Chips zu bekommen, will er sagen. Aber wie das mit Chancen so ist: Manchmal erwischt man sie und manchmal nicht.
Ein Pub um die Ecke besticht mit einer verführerischen Speisekarte. Lachs mit Salzkartoffeln oder Linsen-Pie, ernährungstechnisch genau das, was die Bebbin braucht. Eine Handvoll Tische und genauso viele Gäste. Zwei Fernseher prangen an den Wänden. Alles scheint perfekt.
Wir treten an die Bar und wollen unsere Bestellung aufgeben. Doch weit gefehlt. „Sorry“, sagt der gute Mann, der nicht direkt schottisch aussieht, „ich befürchte, dass unsere Küche bereits geschlossen hat.“
Leider bewahrheitet sich seine Befürchtung und auch jene der Bebbin, dass sie hier nicht das Bier finden wird, das ihr aus alten Zeiten noch in bester Erinnerung geblieben ist. Doch man muss Prioritäten setzen. Für die Bebbin und der Meenzer steht ein bedeutender Abend bevor. Deutschland – Schweiz! Also lassen wir uns vor einem ersten schottischen Bier und besagten Chips an einem Tisch nieder. Stimmung kommt auf. Doch nach den ersten Schlucken stellen wir fest, dass was nicht stimmt. Die Männer, die einem Ball nachlaufen, der schneller ist als sie, tragen die falschen Farben. Wir sitzen vor dem falschen Spiel!
Zeitgleich spielt Schottland gegen Ungarn und was interessiert dann einen Schotten, was die Schweizer oder gar die Deutschen tun?
„Und jetzt?“, fragt die Bebbin erschüttert. „Jetzt fällt unser Plan ins Wasser!“
„Zurück ins Hotelzimmer?“, meint der Meenzer unerwartet kurzentschlossen. Dort hängt nämlich auch ein Fernseher an der Wand. Gesagt getan. Nach einem Abstecher zu einer Fast-Food-Kette dürfen wir endlich beim Kampf von David gegen Goliath mitfiebern und uns über den guten deutsch-schweizerischen Kompromiss freuen. Zwei falsche und zwei richtige Tore und den Einzug ins Achtelfinale. Was will die Bebbin mehr?
Trotz suboptimaler Planung hat sich alles doch zum Guten gewendet.
4 Gedanken zu „Der Tourist denkt, der Einheimische lenkt“
Herrlich, wie immer grosses Kino!
Viel Spass weiterhin, gutes Wetter und dass das mit dem Abendessen dann besser klappt. 😉
Geniesst die Reise. Wir sind derzeit in Wales – auch bei schönstem Wetter.
…und heute Abend gilt es zu wissen, wer der Gegner der Schweiz sein wird. Italien, Kroatien oder Albanien? Ich tippe auf die Niederlande
DankeDankeDanke einmal mehr mich immer wieder weg vom Alltag in die Ferne zu holen und in mir dabei so ein leichtes, lustiges und erheiterndes Gefühl zu hinterlassen. Ich liebs einfach und egal wer an dieser Fussball EM gewinnt, für mich ist euch der Pokal sicher !!!!